Kacklehrer.

Letztens stand ich vor einem Bücherladen in Shinjuku (新宿) und traute meinen Augen kaum: Vor dem Laden stand eine Plastikfigur, als Lehrer gekleidet, der Kopf scheißhaufenförmig.

Darf ich vorstellen: Unko-sensei (うんこ先生; Kacklehrer).

Japanische Kinder haben noch einmal eine ganz besondere Beziehung zu Kacke. Warum, weiß ich nicht, aber es gibt Kindbücher über die Scheißhaufen von Tieren, über Kack-Superhelden (?), über Wortverbindungen mit „Kacke“, übers Kacken ganz allgemein, … Aus eigener Erfahrung kann ich übrigens sagen, dass kleine Kinder das Wort „Unko“ auch super witzig finden. Im Japanischen ist es auch nicht halb so anstößig wie im Deutschen, weswegen die meisten Eltern nur müde darüber lächeln.

Was bringt uns aber Herr Kacklehrer bei? Kanji. Die ursprünglich chinesischen Schriftzeichen müssen Kinder lernen, und um das noch einmal zu vertiefen, gibt es viele Übungshefte. Die des Kacklehrers stechen damit hervor, dass in jedem Beispielsatz das Wort „Unko“ vorkommt.

Da steht dann z.B. für das Kanji „晴“ (on-yomi: Sei; kun-yomi: hareru, harasu):

「うんこ投げ大会」の日が晴天でよかった。
„Unko nage taikai“ no hi ga seiten de yokatta.
Ein Glück, dass am Tag der „Kackwurf-Meisterschaft“ gutes Wetter war.

Ganz ehrlich, ich verstehe schon, warum solche dummen Beispielsätze beim Lernen helfen. 🙂 Es macht Kindern einfach mehr Spaß.

The year of – what?!

In den Wochen und Tagen vor Neujahr findet man in den Läden hier viele Produkte zum Tierkreiszeichen des Folgejahres. Mit diesen kann man dann sein Haus zu Neujahr dekorieren.


2017 wird das Jahr des Hahns. Oder des Huhns oder überhaupt eines Vogels: Es wird 酉年 (Toridoshi). Nicht nur sind die Kanji für die Tierkreiszeichen anders als die für die Tiere an sich, Vogel ist sonst 鳥 und Huhn 鶏 (beides „Tori“), man braucht natürlich eine englische Übersetzung.

Meist ist das ganz entspannt, aber dieses Jahr kann ich das neue Jahr vor Obszönität schon gar nicht mehr sehen. Statt das unverfängliche amerikanische Wort „Rooster“ zu verwenden, hat sich irgendwie die gesamte japanische Neujahrsindustrie verschworen, und nennt den Hahn geschlossen „Cock“ – Was auch sehr gebräuchlicher Slang für Penis ist.

Natürlich ist das durchaus lustig, vor allem, weil es wahrscheinlich nicht mit Absicht verwendet wird. Andererseits würde man es den Japanern schon gern stecken.

Es heißt auch, dass wir auf Arbeit Kalender bekommen, die sich sehr danach anhören, als seien sie weniger für den Arbeitsplatz und mehr für Pornosets geeignet.

%e5%86%99%e7%9c%9f-2016-12-21-11-29-20

Aber passt schon. Solange sie nicht aus 2018, dem Jahr des Hundes, „Year of Bitch“ machen…

Auf den Spuren der Unterhosenautomaten.

pantiesWenn Leute an das lustige, verrückte Japan denken, kommt die Sprache oft recht schnell auf Automaten mit getragenen Unterhosen. Die sind fast so witzig, wie die Annahme, dass Japaner sich am Telefon mit Muschi-Muschi melden würden – in Wirklichkeit ist es natürlich もしもし (moshi-moshi). Dass einem die Realität aber auch immer so einen Strich durch die Rechnung machen muss. Doch zurück zu den Unterhosen.

Dass Leute getragene Unterwäsche kaufen, sollte niemanden schockieren – das geschieht überall auf der Welt, auch in Deutschland. Wo Nachfrage besteht, finden sich Anbieter. 😉 Ich habe schon mehrmals Berichte von Frauen gelesen, die sich so ihr Studium finanziert haben. Persönlich würde ich es wahrscheinlich nicht in Betracht ziehen, aber wer will…

Automaten (自動販売機 Jidôhanbaiki oder kürzer 自販機 Jihanki) bestimmen das Stadtbild vieler japanischer Städte. Zu gefühlt 99% sind sie mit Getränken bestückt, im Winter sogar mit heißen! Andere Automaten haben Snacks, Früchte (Bananen und Äpfel), Eis, etc. auf Lager. Alles Sachen, die unterwegs durchaus nützlich sein können. Benutzte Unterhosen braucht man aber für gewöhnlich nicht dringend zwischendurch. 😉

Das heißt aber natürlich nicht, dass es diese Höschen-Automaten nicht gäbe. Sie stehen nur nicht für jede Person zugänglich mitten in der Stadt, sondern in Sex Shops*. Dort, zwischen Gleitgel und Dildos, gehören solche Automaten wohl auch hin. 😉 Was allerdings noch langweiliger ist, ist die Tatsache, dass die Unterhosen gar nicht wirklich benutzt sind. Auf Japanisch steht das freilich auf den Automaten – スーパーUSED加工 (Super Used Kakô; Super-gebraucht-Behandlung). Das erklärt vielleicht auch, warum ausländische Touristen das irgendwie nicht geschnallt haben, und überall verbreiteten, dass es echte benutzte Unterhosen in Automaten gäbe.

* Es gibt scheinbar doch welche an für Kinder zugänglichen Orten. Sehr fragwürdig, aber darüber sollte ich vielleicht eh noch einmal schreiben.

Ob es nun so viel weniger eigenartig ist, Unterhosen herzustellen, die lediglich benutzt aussehen, ist eine andere Frage. Natürlich gibt es Läden, die wirklich benutzte Unterhosen verkaufen – und unzählige Webseiten. Aber wirklich benutzte Unterhosen in Automaten gibt es scheinbar nicht. Tragisch.

 Was kennt ihr sonst noch für Mythen bezüglich Japans? 😉

Das Fuchsdorf.

Wenn man sich verschiedene Japanblogs und Japanvlogs anschaut, stolpert man über kurz oder lang über das Zaō Kitsune Mura (蔵王キツネ村).

In den Bergen der Vulkankette Zaō in Miyagi kann man flauschige Füchse besuchen, die dort laut Website „in weiter Natur frei gehalten werden“. Eine recht einzigmalige Gelegenheit, meist sind Füchse doch ziemlich scheu.

Ich wollte also hin zu den Füchsen, und als eine deutsche Freundin nach Japan kam, wurde kurzerhand ein Plan geschmiedet. Auf dem Weg nach Sendai (仙台) würden wir eine Station früher aussteigen und das Fuchsdorf besuchen.

Vom Bahnhof Shiroishi-Zaō (白石蔵王) aus erreicht man das Fuchsdorf nur mit dem Auto oder Taxi, die Fahrt dauert etwas weniger als eine halbe Stunde. Die Taxifahrer wussten übrigens direkt Bescheid, offensichtlich verirren sich Ausländer nur dann dorthin, wenn sie sich das Fuchsdorf ansehen wollen.

fuchs2

Nachdem wir 1,000¥ (ca. 8,15€) für den Eintritt bezahlt hatten, öffnete sich die Tür zum Fuchsdorf – und wir waren schockiert. Kleine Füchse, nur wenige Monate alt, zusammengepfercht in kleinen Gitterkäfigen; ausgewachsene Füchse an viel zu kurzen Ketten; ausgewachsene „Streichelfüchse“ in winzigen Käfigen…

Wir waren unglaublich enttäuscht. Weder auf der Website, noch in anderen Blogs hatte ich gelesen oder gesehen*, dass die Tiere eben nicht alle in der „großen weiten Natur frei gehalten werden“. Dass das gar nicht gehen würde, ist klar: Füchse leben normalerweise weder in großen Gruppe noch auf engem Raum; sie würden die kleinen Füchse wahrscheinlich einfach zerfleddern.

Trotzdem könnte man sicher auch die kleineren Füchse in ein größeres Gehege verlegen, dann eben eines speziell für Jungtiere.

* Das ist ein Fall von „Wenn man es weiß, erkennt man es auch auf den Fotos“. 😦

fuchs3

Das große Gehege, was auch immer in Fotos und Videos gezeigt wird, ist übrigens durchaus nett gemacht. Viele Bäume, viel Grün, viele Orte, an denen die Füchse ausspannen können. Es sind natürlich trotzdem viel zu viele Füchse auf viel zu wenig Raum, aber im Vergleich zu den Käfigen erscheint es fast wie ein Paradies.

Leider scheinen viele Japaner, wenn es um Tierhaltung geht, gar kein Problembewusstsein zu haben. Ich habe zumindest keine Japaner gesehen, die sich über die kleinen Käfige echauffiert hätten, und die kostenpflichtigen „Knuddelveranstaltungen“ mit den Babyfüchsen waren gut besucht. Schließlich sind Füchse so süß, die muss man einfach drücken. Dass die Füchse zumindest tagsüber ganz ohne Kuscheleinheiten von ihren Elterntiere auskommen müssen, ist scheinbar egal… 😦

fuchs1

Vielleicht war ich auch zu naiv, und hatte trotz gegenteiliger Erfahrungen zu viel Hoffnung, dass es dieses Mal besser sein würde. Das schlechte Gefühl in der Magengrube war umso ausgeprägter. Ich werde in Zukunft genauer darüber nachdenken, ob ich mir wirklich Tiere hautnah anschauen muss. Das ist zwar schade, aber ich möchte solche Anlagen nicht weiter unterstützen.

Alle anschnallen bitte.

(c) JAF

(c) JAF / In etwa „Wir schnallen uns auch auf den Rücksitzen an“

Japan. Ein fortschrittliches Land. Manche Dinge sind anders als zuhause, und das ist okay. Es gibt nur ein Thema, über das ich mich regelmäßig aufrege: Anschnallen.

Aus irgendeinem Grund ist das Anschnallen auf den Rücksitzen nämlich erst seit Mitte 2008 Pflicht*, was natürlich heißt, dass viele es gar nicht als nötig erachten. Nun ist mir das bei Erwachsenen recht egal, wenn sie in einen Unfall verwickelt werden und sterben, ist das allein ihre Verantwortung.

* 後部座席シートベルト着用義務 (Kôbu Zaseki Shîtoberuto Chakuyô Gimu; Sitzgurt-Anlege-Pflicht auf den Rücksitzen)

Die ganzen unangeschnallten Kinder bereiten mir viel größere Kopfschmerzen.

Bei meiner alten Arbeit bot mir eine Mama an, mich bis zum Bahnhof im Auto mitzunehmen. Neben mir saß ihr 4-jähriger Sohn – bzw. hüpfte er im Auto herum. Die Anschnallgurte waren unter die Sitze gestopft. Auf meine Bitten sich doch zumindest hinzusetzen, stimmte seine Mutter mir zu „Hörst du Yûto, du sollst dich hinsetzen“ – Wenn du das willst, setze ihn auf einen Kindersitz und schnalle ihn an. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich unangeschnallte Kinder auf Hinter- und Vordersitzen oder dazwischen gesehen habe. Das gleiche gilt fürs Fahren mit Baby auf dem Schoß.

Wenn wir auf der 高速道路 (Kôsokudôro; unsere japanischen Autobahn) fahren, sehe ich öfter in den Autos um uns herum mehere Gestalten auf den Rücksitzen herumturnen – unangeschnallte Kinder, bei 100 km/h. In Deutschland undenkbar.

スクリーンショット 0027-08-07 7.14.54Erst diese Woche gab es in 名古屋 (Nagoya) einen Unfall. Ein Sportwagen fuhr in einen Familienwagen, die zwei unangeschnallten Kinder wurden aus dem Auto geschleudert. Die 8-jährige Tochter verstarb daraufhin im Krankenhaus, der 6-jährige Sohn wurde schwer verletzt. Mama, auf dem Fahrersitz, kam mit leichten Verletzungen davon. War ja schließlich angeschnallt.

Das Problembewusstsein fehlt. Was soll denn schon passieren, ich fahre schließlich vernünftig. Da gibt es dann eben Fragen im Internet wie „Ist es jetzt gegen das Gesetz, wenn ich mein Kinder nicht anschnalle? Wie hoch ist die Strafe?“ – Man sollte Kinder nicht aus Angst vor Strafzahlungen anschnallen, sondern weil sonst eine reelle Gefahr für ihr Leben besteht. Mir ist klar, wie nervig Kinder Anschnallgurte finden, und wie anstrengend das sein kann. Zähneputzen finden die meisten Kinder viel schlimmer, tun müssen sie es trotzdem.

Immerhin ist das erste Suchergebnis wenn man im japanischen Google nach シートベルト (Shîtoberuto; von „Seatbelt“) sucht, diese Seite von der japanischen Polizei. Leider ist die Seite super alt, und selbst die Informationsvideos muss man sich erst herunterladen um sie sehen zu können.

Ich werde also wahrscheinlich noch einige Male schockiert den Kopf schütteln…