Frisch vom Fischmarkt: Austern.

Jedes Jahr zur Weihnachtszeit lassen Büros noch einmal das Jahr Revue passieren und unternehmen etwas zusammen. In Japan ist es die Zeit der Bōnenkais (忘年会), was ich immer ganz lapidar als Jahres-End-Feier übersetze, aber eigentlich „das Jahr vergessen-Treffen“ heißt. Man trinkt Alkohol.

Zwar habe ich auf Arbeit eigentlich kein Team, dem ich angehöre (ich bin direkt unterm Chef, genau wie die drei Team-Manager), aber trotzdem lädt mich eines der Teams jedes Jahr ein. 🙂 Dieses Jahr fuhren wir zuerst gemeinsam zur Ginkgo-Straße, darüber werde ich ein andernmal schreiben, und dann zum Fischmarkt Tsukiji (築地).

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Der Fischmarkt an sich hat nur bis zum frühen Nachmittag geöffnet, weswegen die Gegend auf den ersten Blick sehr ausgestorben aussieht. Wenn man aber in eine der Seitenstraßen abbiegt, sieht man beleuchtete Schilder von Sushi-Restaurants und auch das des Kakikoya (カキ小屋), unserem Ziel für den Abend.

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Der Grund, warum man sich für dieses Restaurant entschieden hatte, war das Ganganyaki (ガンガン焼き), welches ihr im mittleren Bild sehen könnt. Allerlei Meeresfrüchte werden dafür in einer metallenen Kiste gekocht, bis sie gar sind. Weil das Getier natürlich heiß ist, bekamen wir alle einen Handschuh und einen Plastikhandschuh. Mit der behandschuhten Hand nimmt man dann z.B. eine Auster aus dem Behältnis und öffnet sie. Wirklich lecker! 🙂

Neben Meeresgetier gab es auch noch Salat und zum Schluss Eintopf mit Gemüse, Pilzen und Nudeln. Wir waren auf jeden Fall pappsatt. Pro Person hat uns der Spaß etwa 5400¥ (ca. 40,40€) gekostet, was für die Menge und Qualität absolut in Ordnung war.

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Vor allem am Freitag und am Wochenende sollte man sich aber sowohl hier, als auch bei den umliegenden Sushi-Restaurants, einen Tisch reservieren, denn es wird voll.

カキ小屋 東京都中央区築地 4-10-14
Kakikoya Tsukiji 4-10-14, Chuo-ku, Tokyo

Abschied, die 234092349.

Ihr wisst, die einzige wirklich Konstante in meinem Leben sind Abschiede. Das ist natürlich etwas melodramatisch formuliert, denn in Wirklichkeit habe ich auch seit sechs Jahren dieselbe Handynummer und einen Mann und seit bald 28 Jahren eine Familie (7,75 Jahre Abzug für meine Schwester). Aber ihr wisst, was ich meine. 😉

Heute war es wieder soweit. Eine liebe Mitarbeiterin hört nach fast fünf Jahren auf. Sie hat eine ähnliche Position wie ich, Executive Assistant (oder halt: Vorstandsassistentin), nur, dass sie das viel besser kann als ich. Vieles habe ich von ihr und anderen Assistentinnen gelernt, wir waren zusammen mit anderen Mitarbeiterinnen, die inzwischen auch nicht mehr hier sind, im Disneyland. Wir haben zusammen bei Charity Events mitgeholfen. Letztendlich gipfelte all das in einem schönen Mittagessen bei einem teuren Restaurant in der Nähe der Firma.

Zu fünft hatten wir einen Tisch reserviert, es gab Rind und Geschichten. 🙂

Sie: „Letztens hat $V1 sich bei mir bedankt!“

Chefsassistentin: „Der kann sich bedanken?“

Sie: „Ja, ich fand das auch ganz gruselig. Seine Mundwinkel zogen sich ganz gequält nach oben.“

(Großes Gegacker)

So weiter ging es über unsere jetzigen Chefs, alte Chefs, was sich verändert hat. Sie hatte vor einiger Zeit ihren alten Chef im asiatischen Ausland besucht.

„Er war noch viel energiegeladener, als ohnehin schon. Entweder hat das koreanische Essen ihm noch mehr Energie gegeben, oder ich war es schon gar nicht mehr gewohnt. Diese Positivität hat mich wie ein Schlag getroffen.“

Sie hatte einen unglaublich guten Draht zu ihrem alten Chef, auch wenn sie sich immer mal beschwerte. Man arbeitet halt zusammen, da läuft nicht immer alles rund. 🙂

Bei uns Assistentinnen ist es oft so, dass wir eine Sonderstellung in einer Abteilung einnehmen. Wir haben nicht wirklich unsere eigenen Aufgaben, sondern unterstützen nur nach Bedarf. Viele Dinge können die übrigen Mitarbeiter gar nicht, ob es darum geht Dienstreisen, Meetings außerhalb des Büros oder Übersetzer zu organisieren. Diese Leute können einem also nicht wirklich helfen, weswegen man sich in haarigen Situationen an die anderen Assistentinnen wendet.

Das sind unsere Verbindungen zu den anderen Abteilungen, und mit einigen Assistentinnen hat man wirklich viel zu tun. Wenn in der Abteilung etwas einfach nicht läuft, hat man diese kleine Gemeinschaft von Leidensgenossinnen, die einen verstehen und Tipps geben können.

Es ist schade, wenn dieser Kreis kleiner wird, aber diese Mitarbeiterin kommt uns nicht wirklich abhanden, denn ihr neues Büro ist ganz in der Nähe. 🙂

Fließend?

Diese Woche hatte einer meiner Vorgesetzten ein Vorstellungsgespräch mit einem Bewerber – oder eher der Bewerber mit ihr. Weil ich natürlich etwas neugierig war, habe ich mir die Bewerbung angesehen. Darauf stand, dass der (nicht-japanische) Bewerber vor über einem Jahrzent den jetzigen JLPT N2, also die zweitschwerste Stufe des Japanischtests für Ausländer, bestanden hatte. Außerdem hatte er direkt dahinter geschrieben, er sei „fluent“, also „fließend“. Ich war folglich schwer beeindruckt.

Für mich selbst nehme ich nicht in Anspruch, fließend Japanisch zu sprechen. Zwar habe ich im Alltag absolut keine Probleme, und auf Arbeit wurde ich schon mehrmals gefragt, welcher meiner Elternteile denn eigentlich der japanische sei, aber so richtig 100% perfekt ist es nicht. Ich würde gern besseres Japanisch sprechen. Mit mehr Adjektiven und weniger Verbesserungen von meinem Mann.

Vielleicht will ich mich auch nicht überschätzen. Wenn man sich selbst ganz oben verortet, ist die Fallhöhe recht groß. Wenn ich tatsächlich von mir selbst annehmen würde, perfektes Japanisch zu sprechen, wäre es mir verdammt peinlich, wenn ich mal wieder Silben vertausche* oder nachfragen muss. So ist es mir übrigens auch peinlich. 😉 Zum Glück mache ich auf Deutsch nie Fehler oder verspreche mich. Nie!

* Vor einigen Wochen sagte ich zu meinem Mann statt 広島楽しみ!(Hiroshima tanoshimi!; Ich freu mich auf Hiroshima!) ひろしみたのしま! (Hiroshimi tanoshima!)… Jetzt fragt er mich mindestens einmal täglich, ob „Hiroshimi tanoshima?“

Nach dem Vorstellungsgespräch sprach ich kurz mit meiner Vorgesetzten, und meinte, dass das Japanisch des Bewerbers sicher total toll war.

Sie: Nicht wirklich. Auf einer Party ginge sein Japanisch sicherlich klar, auch wenn man mit ihm zusammen essen gehen würde – aber zum Arbeiten? Nein.

Das ist nämlich auch noch mal ein Unterschied, vor allem auf Japanisch. Höflichkeitssprache muss man stumpf pauken, Etikette auch. Sich mit Freunden zu unterhalten ist Welten davon entfernt, mit einem möglichen Geschäftspartner zu reden.

Ab wann würdet ihr euch eigentlich als „fließend“ bezeichnen? Wenn es um Englisch geht, habe ich da nämlich gar keine Probleme, aber Japanisch…

Das Wort zum Mittwoch: 気絶.

wortzummittwochAus gegebenem Anlass mal ausnahmsweise ein Wort, das nichts mit speziell Japan zu tun hat. 🙂

Ich bin in letzter Zeit etwas kränklich. Letzte Woche hatte ich mir schon den Mittwoch freigenommen, weil ich mich erkältet hatte. Langsam ging es mir auch wieder besser, bis gestern. Am Morgen ging es mir noch relativ gut, als ich in die Bahn zur Arbeit stieg.

Nach den ersten paar Stationen ging es mir immer schlechter, und wollte nur noch sitzen. Leider wurde aber einfach kein Sitz frei. Fünf Stationen nach dem Anfang meiner Reise wurde mir plötzlich schwarz vor Augen, ich hatte ein Dröhnen in den Ohren und konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten.

気絶気絶 (Kizetsu) bedeutet „Ohnmacht“. Es besteht aus 気 (ki; Geist, Gefühl, Laune, etc.) und 絶 (zetsu; durchtrennen, jenseits, unterbrechen). Als Verb wird es mit する (suru; machen) gebildet, lautet demnach 気絶(を)する (kizetsu (wo) suru; ohnmächtig werden). Gebräuchlicher ist aber 気を失う (ki wo ushinau; wörtl. den Geist verlieren).

Ich wurde also kurz ohnmächtig. Irgendwie bugsierten mich aber meine Mitfahrer auf einen hastig freigemachten Platz – voll der Life Hack. Wenn man im Berufsverkehr sitzen will, muss man einfach nur ohnmächtig werden. 😀 *

* Scherz! Offensichtlich!

Wie genau das funktionierte, weiß ich nicht mehr. Nach dem Hinsetzen ging es mir langsam wieder besser, aber die Erinnerung an das ganze Geschehen wirkte mehr wie ein Traum.

Am Zielbahnhof angekommen ging ich erst einmal zum Arzt, war dann zwei Stunden auf Arbeit und ging wieder nach Hause. Der Arzt bescheinigte mir sehr niedrigen Blutdruck im Stehen, und ging davon aus, dass das zusammen mit der Hitze und den ganzen Menschen dazu geführt hat, dass ich umgefallen bin.

Aber immerhin, das war mein erstes Mal ohnmächtig werden. Mit schon 26 ist das doch gar nicht so schlecht?

Noch mal Ghibli.

Im Juli waren mein Mann und ich in der großen Ghibli-Ausstellung (ジブリ大博覧会). Die Ausstellung fand ich zwar dort auch schon toll, allerdings hatte ich dank der Menschenmassen kaum Spaß daran. 😦

Doch manchmal habe ich Glück! 😀 Am Dienstag bekam ich eine E-Mail, dass man sich bewerben könne um am Freitag Morgen vor den Öffnungszeiten kostenlos und mit Führung die Ausstellung zu besuchen. Dieses Angebot bekamen alle in unserer Firma, wir arbeiten nämlich in einem Mori Building (森ビル), das sind großteils Hochhäuser von der gleichnamigen Entwickler-Firma. Die Ausstellung ist auch in einem von deren Gebäuden.

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Um acht Uhr morgens ging es los, mit einer kleinen Gruppe von etwa zehn Leuten, alle von meiner Firma, und drei Mitarbeitern des Museums.

Einer von denen hatte die Ausstellung zusammen mit dem Studio Ghibli konzipiert und erzählte uns viele spannende und lustige Geschichten. 45 Minuten lang wurden wir so durch die Ausstellung geführt, und hatten wirklich Zeit uns alles anzusehen.

Was ein riesiger Unterschied zu meinem ersten Besuch!

Kein Anstehen, man wurde nicht weitergeschubst, obwohl man noch einen Brief lesen wollte, und ein Foto im Katzenbus kam auch zustande.

Nach der Stunde, die wir in der Ausstellung verbringen durften, waren wir alle ziemlich aufgedreht. So schön kommt man in Tokyo normalerweise in gar keine Museum. 🙂 Ich hoffe, dass dieses Modell auch in Zukunft zur Anwendung kommt, auch wenn natürlich nicht alle davon profitieren können. Alternativ könnte man auch generelle Voranmeldungen einführen, überall. Fände ich um ehrlich zu sein gar nicht so schlecht.

Apropos Voranmeldung, in 17 Tagen sind wir im Ghibli-Museum in Mitaka. Wie man sich dafür anmelden kann, lest ihr hier.