Japanisch ohne Kanji.

Im Japanischen gibt es knapp 100 Silbenzeichen, die entweder so ひらがな oder so カタカナ aussehen. Die lernt man relativ schnell.

Und dann gibt es Kanji, oder auch „diese chinesischen Schriftzeichen“. Von denen kann ein erwachsener Mensch mit Hochschulbildung etwa 3000, um eine Zeitung zu lesen muss man etwa 2100 können. Ja, das ist viel, vor allem, wenn man bedenkt, dass die meisten Kanji nicht nur eine Lesung haben.

Kanji sind nicht wirklich leicht, sie sind nicht wirklich intuitiv, und deswegen versuchen sich viele Menschen um sie zu drücken. Eine Argumentation, die ich im Internet recht häufig sehe ist die folgende:

Warum brauche ich Kanji? Es wäre doch viel besser, wenn Japanisch nur mit Silbenzeichen geschrieben werden würde. Die Japaner sollten das ändern, um Japanisch leichter zu machen!

Abgesehen davon, dass wenige Sprachen so aufgebaut sind, dass sie besonders einfach zu lesen oder zu schreiben sind, gibt es durchaus Gründe, warum die Kanji aus dem Japanischen nicht mehr wegzudenken sind und man sie lernen müssen wird, egal wie sehr man sich dagegen zu wehren versucht. Hier sind die zwei, die mir wichtig sind:

Die Lesbarkeit

Klar, es ist nicht leicht die ganzen Kanji zu lernen, aber sobald man erst einmal ein paar kann, merkt man, warum sie so unglaublich praktisch sind. Erst einmal hat Japanisch nämlich keine Leerzeichen. Das macht das Schriftbild, finde ich, hübscher, und generell sind Leerzeichen doch eh etwas für Leute ohne Kanji. 😉 Durch die sieht man nämlich recht gut, wo ein Wort aufhört und das nächste beginnt.

明日の朝に旅に出るから荷物を積んでおきます。

Das sähe mit Leerzeichen zwischen den Wörtern so aus:

明日 の 朝 に 旅 に 出る から 荷物 を 積んでおきます。

In meinem Beispielsatz („Weil ich morgen früh auf Reisen gehe packe ich mein Gepäck“) beginnt jedes Nomen und jedes Verb mit einem Kanji. Die Deklinations eines Verbs erfolgt im Japanischen auch in dem Verb bzw. durch angehängte Hilfsverben (im oberen Beispiel ist es 積む (packen) + おく (etwas vorbereitend tun), man kann also das gesamte Verb anhand eines langen Wortes erfassen. Übrig bleiben Partikel (の, に, から, を), die Anzeigen, um welchen Satzteil es sich beim vorangegangenen Wort handelt.

Ohne Kanji sähe mein Beispielsatz so aus:

あしたのあさにたびにでるからにもつをつんでおきます。

Wo ein Wort anfängt und aufhört, ist dann plötzlich ziemliche Friemelei. Auch mit Leerzeichen ist es ziemlich verwirrend.

あした の あさ に たび に でる から にもつ を つんでおきます。

Natürlich könnte man sich das Lesen neu aneignen. Das Problem ist nur, dass es im Japanischen auch viele Homophone gibt, die unterschieden werden wollen. Wirklich, es gibt unglaublich viele davon, und es wäre einfach sehr anstrengend, sie im Text voneinander unterscheiden zu müssen. Wenn ich die Kanji im Beispieltext (明日, 朝, 旅, 荷物, 積) sehe, weiß ich sofort worum es geht.

Die Kanji-Wörter

„Weiß“ heißt „shiro“, „Mensch“ heißt „hito“, „der weiße Mensch“ heißt „hakujin“. „Beginn“ heißt „hajime“, „Sommer“ heißt „natsu“, „Sommerbeginn“ heißt „Shoka“. Wie passiert das? Kanji haben verschiedene Lesungen, und werden in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich ausgesprochen.

Wenn man die Kanji sieht, ist der Zusammenhang hingegen sehr deutlich.

白 (weiß; shiro) + 人 (Mensch; hito) = 白人 (weißer Mensch; hakujin)

初 (Beginn; hajime) + 夏 (Sommer; natsu) = 初夏 (Sommerbeginn; shoka)

Selbst wenn man die Japaner dazu bringen könnte, Kanji abzuschaffen, würde es diese Wörter noch geben. Im Koreanischen ist das genau so passiert, und nein, die Abwesenheit von chinesischen Schriftzeichen macht es nicht einfacher. Als ich vor vielen Jahren beim Arzt war, erzählte der mir etwas von Leukozyten (weißen Blutzellen). Die heißen auf Japanisch „Hakkekkyû“. Erst, als ich das Wort später geschrieben sah, wurde mir klar, was er meinte: 白血球 (weiß + Blut + Kugel).

Außerdem eignen sich Kanji hervorragend für Wortspiele, z.B. wenn mich mein Mann „Bijin“ nennt. Nein, nicht „美人“ (schöner Mensch) sondern „鼻人“ (Nasenmensch). 😉

Ich weiß, dass Kanji anstrengend sind. Das Lernen erfordert recht viel Energie, und vor allem Anfangs kann man dennoch keine ganzen Sätze lesen. Mein unglaublicher Lerntipp: Weniger beschweren, und mehr lernen! Dann klappt das auch mit dem Lesen. 😉

Kurz eingeschoben: Die Miyazaki-Uhr.

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Zum internationalen Vatertag wollten wir meinem Schwiegervater eine spezielle Spirituose zukommen lassen und fuhren zwecks dessen nach Shinbashi (新橋). Zum Glück konnte ich mich daran erinnern, dass in Shinbashi irgendwas war mit Ghibli, und so sah ich zum ersten Mal die größte Uhr aller Zeiten. 😀 Unten rechts auf dem Foto könnt ihr die Köpfe von Besuchern sehen.

Der Regisseur Miyazaki Hayao hat sie für Nippon TV entworfen, und an der Zentrale des Senders tut sie ihren Dienst.

Eigentlich gibt es um 10*, 12, 15, 18 und 20 Uhr eine kleine Vorführung, doch als wir dort waren, war die Uhr aus unbekannten Gründen beurlaubt. Ein Video findet man aber z.B. hier (Vorsicht, lautes Geräusch im Video, Ton leiser stellen!), und irgendwann werde ich sicher mal wieder dort vorbeilaufen.

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Shuzenji, Shizuoka. (Teil 2)

In Shuzenji (修善寺) gibt es zugegebenermaßen nicht allzu viel zu tun. Einen Themenpark gibt es trotzdem: Den Regenbogenpark (虹の郷 Niji no Sato). Dorthin kommt man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln recht einfach, und wenn man das Ticket vorher, z.B. im Hotel, kauft, kostet der Eintritt pro Person nur 600 Yen (ca. 4,80€).

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Der Park besteht aus drei Teilen. Direkt am Eingang ist man im von England inspirierten Teil namens Romney. Dort steht ein Doppeldeckerbus herum, und die Häuser sind einem englischen Dorf nachempfunden. Neben einem Café und Souvenirläden (die zugegebenermaßen ziemlich ramschig sind) gibt es ein Bahnmuseum und eine echte Schmalspurbahn. Mit der kann man direkt in den von Kanada inspirierten Teil des Parks, Nelson, fahren. Warum England und Kanada? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.

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Zwischen England und Kanada befindet sich, ist doch klar, Japan. Im japanischen Bereich gibt es hauptsächlich Essen und ein großer Blumenpark. Leider hatten wir schon am Eingang lesen müssen, dass die Schwertlilienbeete durch Rehe und Wildschweine beschädigt wurden. Dementsprechend sahen die Felder nicht so hübsch aus, wie erwartet.

Einige Schwertlilien und andere Blumen blühten natürlich trotzdem, und durch die schiere Größe des Parks, konnten wir ziemlicht entspannt herumlaufen. Eine Seltenheit, wenn man um Tokyo herum lebt.

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Nach etwa eineinhalb Stunden hatten wir alles gesehen, und fuhren mit dem Bus zurück zum Bahnhof Shuzenji. Dort kauften wir etwas zu essen und Mitbringsel und setzten uns in die Bahn zurück nach Tokyo. 🙂

Als Urlaub war Shuzenji wirklich schön, aber den Regenbogenpark muss man nicht unbedingt besuchen.

Shūzenji, Shizuoka (Teil 1)

Am 16. Juni war dieses, wie auch jedes andere Jahr seit 1988, der Geburtstag meines Mannes. Diesmal hatten wir uns vorgenommen, den Freitag freizunehmen, und irgendwo hinzufahren.

Recht schnell fiel die Wahl auf Shizuoka (静岡県). Erst hatten wir überlegt, nach Izu (伊豆) zu fahren, doch letztendlich entschieden wir uns gegen das Meer und für ein Hotelzimmer mit Onsen auf dem Balkon.

So fuhren wir am Freitag Morgen nach Shūzenji (修善寺). Dorthin geht es mit derselben Bahn wie nach Izu, doch diese wird in Atami in zwei Züge geteilt, wobei sich der hintere Teil nach Shūzenji begibt.

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Wer Japanisch spricht, hat schon bemerkt, dass Shūzenji nach einem Tempel (寺) benannt ist. Genau dort machten wir unseren ersten Halt. Der Tempel an sich ist wirklich hübsch, was mich aber ganz besonders erstaunt hat, waren zwei Dinge: Erstens steht dort ein recht großer Stein-Daruma und zweitens ist das Wasser für die Reinigung der Hände vor dem Beten nicht kalt, wie sonst üblich, sondern warm. Es handelt sich dabei um Onsen-Wasser, also Wasser aus einer heißen Quelle. 🙂

Apropos „heiß“, am Freitag knallte die Sonne ziemlich auf uns herunter, weswegen wir uns kurzerhand in ein kleines Café auf der anderen Seite des Flusses setzten.

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Dort gab es für uns die kühlen Leckereien, die ihr oben sehen könnt, und kalten Matcha. 🙂

Der große Vorteil an einem kleinen Städtchen ist natürlich, dass alles recht nahe beieinander ist. So liefen wir vom Café aus höchstens fünf Minuten bis zum kleinen Bambuswäldchen.

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Zwar merkt man der Stadt an einigen Stellen an, dass sie schon einmal bessere Tage gesehen hat, aber trotzdem gibt es wirklich viel, was für Shūzenji spricht: Die Stadt ist in einem wirklich guten Zustand, und hat tatsächlich Wi-Fi an den touristischen Orten. Man merkt, dass die Leute sich wirklich um Touristen bemühen, und wenn man mal wirklich raus aus dem Stress der Großstadt will, bietet sich hier die perfekte Gelegenheit. 🙂

Nachdem wir uns die Stadt angesehen hatten, machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Für eine Nacht hatten wir uns im Laforet Shuzenji (ラフォーレ修善寺) ein Zimmer genommen. Das Laforet ist eine riesige Anlage aus Zeiten des ungebremsten Wirtschaftswachstums. Auch hier ist aber alles wirklich sehr schön renoviert worden.

Zwischen den einzelnen Gebäuden kann man laufen, aber da die Wege recht weit sind, gibt es auch einen Shuttle Service. Ohne Auto oder Shuttle Service zurück in das Städtchen Shūzenji zu kommen, ist aber eher unmöglich.

Nachdem wir unser Gepäck im Zimmer abgelegt, und es angemessen bestaunt hatten, bestand unsere erste Amtshandlung darin, Tennis spielen zu gehen.

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Nachdem ich letztes Jahr recht viel gespielt hatte, war ich dieses nur ein- oder zweimal beim Training gewesen, was natürlich viel zu wenig ist. Aber zumindest ein wenig habe ich behalten, weswegen wir zwar nicht wirklich Tennis spielen, aber immerhin den Ball hin- und herspielen konnten. (Letztens erfuhr ich übrigens, dass mein Mann seit wer-weiß-wie-lange mit meinem Schläger spielt! Der Verräter! Tatsächlich ist mein Schläger natürlich viel neuer und leichter zu spielen als seiner. Dennoch: Verräter!)

Beim Tennis spielen sahen wir tatsächlich Rehe auf dem angrenzenden Golfplatz! 😀 Ganz entspannt liefen die durch die Gegend, denn am Freitag Nachmittag spielte niemand Golf. Später am Abend erwischten wir noch einmal eines.

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Doch der eigentliche Höhepunkt war natürlich das Zimmer. So groß wie unsere vorherige Wohnung, mit Ausblick auf den Fuji und auf Wälder, und natürlich mit einem Bad auf dem Balkon.

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Wir hatten ohne Abendessen gebucht, und so aßen wir auf dem Zimmer Reisbällchen, die wir viel früher im Conbini gekauft hatten, und tranken allerlei süßen Alkohol.

Baden waren wir natürlich auch. Nach dem Bad überlegten wir gemeinsam, wie man so etwas bei uns zuhause realiseren könnte (gar nicht), schwelgten ein bisschen in der schönen Atmosphäre und gingen irgendwann schlafen.

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Bad mit Bier aus Izu 🙂

Am Samstag Morgen aßen wir Frühstück und ließen uns zum Bahnhof Shūzenji fahren. Dort nisten übrigens Schwalben unter dem Dach der Bahnhofshalle und fliegen durch die Gegend. Schwalben bringen in Japan nicht nur den Sommer, sondern auch das Glück. 🙂 Ich hoffe, dass Shūzenji genau so erfolgreich ist, dass man auch weiterhin hinfahren und die Ruhe genießen kann.

Und nächstes Mal fahren wir länger hin. Jawohl!

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Das Edo-Tokyo Open Air Arcitectural Museum.

Letztes Wochenende fuhren mein Mann und ich über eine Stunde mit der Bahn nach Musashi-Koganei (武蔵小金井). Mit dem Bus, übrigens auch auf Englisch ausgeschildert, kommt man vom dortigen Bahnhof aus recht einfach zum Edo Tokyo Freiluft-Architekturmuseum (江戸東京たてもの園).

Dort befinden sich Nachbauten historischer Gebäude in Originalgröße. 🙂 Recht nah am Eingang steht z.B. das gelbe Haus, das ihr oben sehen könnt. Dieses Haus stand ursprünglich in Den’en Chōfu (田園調布) in Tokyo, und ist, für 1925, stark an europäische Architektur angelehnt. Putzig, oder? 🙂

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Zugegebenermaßen wollte ich vor allem das Badehaus sehen. Dieses war wohl auch eine Inspiration für das Badehaus in „Chihiros Reise ins Zauberland“. Ursprünglich wurde es 1929 im Bezirk Adachi in Tokyo erbaut. Es ist ein recht typisches altes Badehaus.

Was einem bei den ganzen ausgestellten Wohnhäusern auffällt, ist übrigens die absolute Abwesenheit einer Badewanne oder, wie klein diese ist. Damals gingen alle Japaner in offene Bäder wie dieses. Heute gibt es noch einige, aber sie werden immer unbeliebter.

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Bei diesem Badehaus fand ich übrigens ganz spannend, dass die Fenster im Umkleideraum der Männer teilweise durchsichtig sind. Mein Mann meinte, dass das bei Männern ja egal sei, wer da etwas sieht. Aha. 😉

Viele der ausgestellten Gebäude sind Geschäfte, ob das nun ein Blumen- oder ein Schreibwarenladen ist. Es ist wirklich ganz spannend zu sehen, wie damals eingekauft wurde. Oftmals sind die Auslagen den historischen Begebenheiten nachempfunden worden. Mit Supermärkten hat das eher gar nichts zu tun.

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Das Museum ist in drei Bereiche aufgeteilt: West-, Mittel- und Ostzone. In der Ostzone befindet sich eine ganze kleine Einkaufsstraße, die ich vom ganzen Museum am liebsten mochte. Da würde man doch gern mal in der Zeit reisen, um so eine Straße mit geöffneten Geschäften erleben zu können.

Übrigens war auch eine historische Straßenbahn ausgestellt – von der Sorte, wie sie noch immer in Matsuyama fahren. 😀 Irgendwie fand ich das ziemlich witzig.

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Der Rest des Museums besteht hauptsächlich aus Wohnhäusern, die auch alle sehr schön und in verschiedenen Stilen sind. In einem der Häuser, von einem deutschen Architekten, gibt es auch ein niedliches kleines Café. 🙂

Den Besuch würde ich jedem, der Interesse an japanischen Gebäuden hat, ans Herz legen. Die Beschreibungen an den Häusern sind auch auf Englisch verfasst, insofern hat man gar keine Probleme, wenn man kein Japanisch spricht.

Zugegebenermaßen war ich nach etwa zwei Dritteln der Häuser ziemlich fertig, aber Spaß hatte ich trotzdem.