Kurz eingeschoben: Die wahren japanischen Toiletten.

Viele haben von den tollen japanischen Toiletten gehört. Unzählige Knöpfe, Bedienung per Smartphone, Elfenstaub.

Tatsächlich gibt es diese Toiletten. Japaner nennen sie nur nicht „japanische Toiletten“, nein, die sind „westlich“! Bei Toiletten unterscheidet man in Japan zwischen 洋式 (yô-shiki; westlich) und 和式 (wa-shiki; japanisch)*.

* Beide Begriffe werden nicht ausschließlich für Toiletten sondern für alles mögliche verwendet.

Aber wie sieht so eine japanische Toilette aus? Oben seht ihr eine Zeichnung. Es sind Hocktoiletten, oder auch „stinkende Löcher“. Wahrscheinlich gibt es irgendwo in Japan total saubere und nach Blumen duftende japanische Toiletten, aber die einzigen, die mir bisher begegnet sind, stanken erbärmlich. Durch die Hockhaltung landet wahrscheinlich auch nicht gerade ein unbeachtlicher Anteil des Urins nicht in der Toilette sondern auf den umliegenden Fliesen. Na vielen Dank. Für den Stuhlgang ist es aber angeblich natürlicher.

pakukdkslla_TP_VSo ist es kein Wunder, dass vor allem die jüngere Generation gern auf die japanischen Toiletten verzichtet. In vielen älteren öffentlichen Toiletten gibt es beides – japanische Toiletten und westliche. Es bildet sich oft eine Schlange, obwohl die japanischen Toiletten frei sind…

Ich versteh’s.

Die dominante Sprache.

Ich bin Deutsche. Sogar eine richtige Bio-Deutsche, mit Ostdeutschen Eltern* und komplett deutscher Schulbildung. Insgesamt habe ich etwa 20 Jahre in Deutschland gelebt, mit Freunden auf Deutsch geredet, Filme auf Deutsch gesehen und auf Deutsch gelesen. Natürlich nicht exklusiv, aber mein Alltag war wahrscheinlich 90% Deutsch.

* Ihr Wessis wisst gar nicht, was euch entgeht. Mann, damals in der DDR, da war die Welt noch heil. 😉

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass das jetzt etwas anders ist. Bis vor einigen Monaten hatte ich noch immer die beste deutsche Freundin, mit der ich einmal die Woche auf Deutsch schnattern konnte – sie hat mich dann aber für Frankfurt verlassen. 😦 Ich schreibe auf diesem Blog sehr viel mehr Deutsch als mir im alltäglichen Leben über die Zunge rollt. Was nicht heißt, dass ich die Sprache in meinem Alltag groß vermissen würde, doch Dinge die man nicht verwendet rosten natürlich ein, selbst die eigene Muttersprache. Beim Schreiben geht das noch, ich habe schließlich Zeit zum Nachdenken und muss letztendlich nur auf meine eigenen Gedankengänge reagieren. Beim Sprechen bin ich mir manchmal unsicher, ob die Worte wirklich so zusammenpassen. Teilweise fehlen mir auch einfach die Worte, zumindest auf Deutsch.

Denn auch wenn ich mehrere Sprachen fließend spreche ist das Hirn schließlich kein Wörterbuch, manche Verbindungen sind in einer bestimmten Sprache stärker, und manchmal drängen sie meine Muttersprache an den Rand. Was für eine Erleichterung dann mit jemandem zu plaudern, der zumindest zwei der drei Sprachen spricht: Ausdruckstechnische Löcher in der einen Sprache lassen sich ganz hervorragend in der anderen stopfen. Dabei hilft, dass die meisten meiner japanischen Mitarbeiter sehr gutes Englisch sprechen.

Mein Alltag besteht zu 75% aus Japanisch, 22% Englisch und 3% Deutsch. Die 3% werden wahrscheinlich allein vom Blog ausgefüllt. Deutsch ist also absolute Minderheitssprache. Das hat durchaus komische Nebenwirkungen.

Wenn ich in einem Café oder ähnlichen bin, kann ich Japanisch wunderbar ausblenden, bei Englisch klappt es auch meist. Das ist Hintergrundrauschen. Doch was passiert, wenn plötzlich Leute in meiner Umgebung Deutsch reden? Mein Hirn verwandelt sich in eine kleine Bulldogge, jagt seinem eigenen Schwanz hinterher, springt in die Luft und kläfft. Ich höre unweigerlich zu. Nicht, weil Deutsche immer unglaublich spannende Dinge zu erzählen hätten oder weil ich den Grund für ihren miesepetrigen Gesichtsausdruck** dringend erfahren möchte.

Nein, meine Gehirnbulldogge ist der Meinung einen Freund gefunden zu haben. Jemanden so wie uns. Wenn wir dann mal in Deutschland sind, dreht meine Gehirnbulldogge zumindest die ersten Tage komplett durch. „Schau Claudia, jemand spricht Deutsch!!“ „Noch jemand!“ Ich kann mich tatsächlich in der Berliner Bahn, wenn sie denn fährt, nicht auf mein Buch konzentrieren, weil alle um mich herum Deutsch sprechen. Diese rücksichtslosen Berliner mal wieder. 😉

** Sorry, aber Deutsche schaffen es teils im 5-Sterne-Resort am weißen Strand so zu gucken, als wären sie grad in der Bahn zur Arbeit. Um 3 Uhr morgens. Im Nieselregen.

In meinem Kopf herrscht auch ohne Gehirnbulldogge geordnetes Sprachchaos. Deutsch nimmt dabei meist einen geringen Platz ein, selbst Englisch ist nicht die Nummer eins. Mir kommt tatsächlich Japanisch am leichtesten über die Lippen, obwohl mein Wortschatz begrenzt ist. Aber denke ich auf Japanisch? Keine Ahnung. Wahrscheinlich. Die eigenen Gedanken gehören zu den Dingen, die sich verändern, wenn man sie betrachtet. Möglicherweise ändert sich das, je nachdem in welcher Situation ich bin, welche Sprache ich verwende und worüber ich nachdenke. Tiefe philosophische Betrachtungen kann ich nämlich nicht auf Japanisch anstellen. Mein Innenleben wird aber sicher nicht so leicht wieder 90% Deutsch. Bin ich dann eigentlich noch Bio?

Was sprecht ihr für Sprachen und was für Auswirkungen hat das auf euer Leben? In welcher Sprache denkt ihr? 😉

Alle Jahre wieder: Gesundheitsuntersuchung.

IMG_2502Dank Artikel 66 des japanischen Arbeitsschutzgesetzes (労働安全衛生法 Rôdô Anzen Eisei-Hô) muss sich jeder Arbeitnehmer in Japan einmal im Jahr einer Gesundheitsuntersuchung (健康診断 Kenkô-Shindan) unterziehen.

Die Kosten trägt zwar die Firma, aber wenn man auf Stundenbasis arbeitet wird einem oft die Zeit nicht angerechnet. Außerdem bekommt die Firma sämtliche Ergebnisse – aus deutscher Sicht etwas fragwürdig.

Als Begründung für die Untersuchung wird angegeben, dass durch sie vorbeugend gehandelt werden kann – Probleme werden nicht erst ersichtlich, wenn es so schlimm ist, dass man ins Krankenhaus muss. An sich natürlich lobenswert, aber das gleich gesetzlich zu verankern… Nun ja.

Ich habe die Untersuchung bis jetzt bei zwei Firmen und drei Ärzten mitgemacht, es war immer etwas anders. Ab 35 Jahren ändert sich der Inhalt noch einmal.

Zuerst bekommt man, wie auch bei so gut wie jedem anderen Arzt, ein Blatt auf dem man seinen Lebensstil beschreiben soll, und angibt welche Krankheiten man schon einmal hatte. „Ich esse schneller als andere Menschen“, „Im letzten Jahr hat sich mein Gewicht um mehr als 3kg verändert“, „Ich esse mit jeder Mahlzeit Gemüse“, usw. Die wichtigste Frage ist natürlich „Wenn Sie Hinweise zum gesünderen Leben bekämen, würden Sie sie annehmen?“ 😉

IMG_2501Meine bisher umfangreichste Untersuchung hatte ich gestern: Urinprobe, Körpergröße und Gewicht, Blutprobe, Blutdruck, Sehstärke, Hörvermögen, Elektrokardiogramm, Bauchumfang und natürlich Röntgen. Egal wie rudimentär die Untersuchung ist, ob Blut abgenommen wird oder nicht, die Lunge wird immer geröntgt.

Im Jahr 2013 wurden in Japan etwa 20.500 Tuberkulose-Neuerkrankungen registriert, das sind 16,1 pro 100.000 Einwohner. In Deutschland waren es im selben Jahr 5,3 pro 100.000 Einwohner. Die Zahlen in Japan scheinen Grund genug zu sein, obwohl der Doktor-Schwiegeronkel sagt, dass die Röntgengeräte die in diesen Kliniken benutzt werden so schwach sind, dass es oft erst dann diagnostiziert wird, wenn die Löcher in der Lunge recht groß sind. Die Bleiweste um seine Fortpflanzungsorgane vor der Strahlung zu schützen bekommt man übrigens nur auf Nachfrage.

Einige Wochen nach der Untersuchung bekommt man einen Bogen mit den Testergebnissen, mal mehr und mal weniger aufschlussreich. Ich persönlich finde die Untersuchung eher zeitverschwendend, auch weil ich immer gute Ergebnisse habe. Vielleicht hilft es Leuten, die  einen ungesunden Lebensstil haben, das mal etwas kritischer zu betrachten.

Ich bin auf jeden Fall froh, es hinter mir zu haben. Bis nächstes Jahr.

Glühwürmchen und Feuerwerk.

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via まちメモ, am Ort wo wir auch waren.

Jedes Jahr im Sommer kann man für etwa einen Monat Glühwürmchen (蛍 Hotaru) fliegen sehen. Glühwürmchen findet man nur an sauberen Gewässern und dann sieht man sie natürlich nur abends.

Mit zwei Freundinnen, Naomi mit der ich am Nachmittag bei der Lichtausstellung war und Sachie, mit der ich letztens in 浅草 (Asakusa) beim 七夕祭り (Tanabata Matsuri) war, und meinem Mann fuhren wir zum 市川市動植物園 (Ichikawa-shi Dô-Shoku-Butsu-en; Zoologischer und botanischer Garten Ichikawa). Dort befindet sich ein solches Gewässer und es gibt keine unnötige Beleuchtung.

Es war natürlich sehr dunkel, weswegen wir aufpassen mussten, wohin wir treten. Nach etwa sieben Minuten Fußmarsch kamen wir an und sobald sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnten wir die Glühwürmchen sehen. Ich hatte vorher noch nie welche gesehen und ging davon aus, dass sie durchgehend leuchten würden. In Wirklichkeit flackern sie, wie eine LED mit Wackelkontakt. 😉 Es war aber unglaublich cool, vor allem die Vorstellung was die ersten Menschen, die Glühwürmchen gesehen haben, wohl gedacht haben.

Glühwürmchen darf man auf keinen Fall mit der Taschenlampe oder ähnlichem anleuchten, einige Idioten haben es natürlich trotzdem gemacht. Das Problem ist nicht nur, dass die Leuchtkäfer aufhören zu leuchten, sondern auch, dass die Menschen ihre Nachtsichtigkeit recht schnell verlieren. 😦 Ich würde ja gern noch einmal hin, wenn nicht so viele Leute unterwegs sind.

Weil wir mehr Zeit als gedacht bei den Glühwürmchen verbracht hatten, musste eine Freundin schon nach Hause, wir haben den nächsten Programmpunkt also nur zu dritt begangen.

IMG_2484Zum Sommer gehört Feuerwerk dazu, wir haben am Fluss unglaublich viel Handfeuerwerk angezündet und uns wieder wie Kinder gefühlt. 🙂

Der Tag des Meeres stand also irgendwie im Zeichen des Lichtes: Erst Licht-Ausstellung, dann Leuchtkäfer und zum Schluss Wunderkerzen.

Ausstellung mit 100 Stufen in Meguro.

IMG_2401Pünktlich zum Tag des Meeres (海の日 Umi no Hi) wurde das Ende der Regenzeit verkündet. Es ist also Sommer, und drückend heiß.

An eben diesem Tag des Meeres traf ich mich mit einer Freundin in 目黒 (Meguro) um in eine Ausstellung zu gehen: 和のあかり×百段階段 (Wa no Akari x Hyaku-dan Kaidan; Das japanische Licht und die hundertstufige Treppe). Die hundertstufige Treppe befindet sich im 目黒雅叙園 (Meguro Gajoen) und ist ein japanischer Kulturschatz. Im Gajoen selbst werden Bankette und Hochzeiten abgehalten, es gibt eine Vielzahl von Restaurants und übernachten kann man dort auch.

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Die Tickets für die Ausstellung kosteten je 1,200yen (fast 9€), was ich etwas happig fand.

Der Teil des Gajoen, in dem sich die hundertstufige Treppe befindet, ist der einzige Teil des Gajoen, der original aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts erhalten ist.

Die Decken sind wunderschön bemalt, auch an den Wänden findet man verschiedene traditionelle Malereien. Von der Treppe aus gehen verschiedene Räume ab, die jeweils unter einem Thema stehen.

Im ersten Raum, auf dem Foto links zu sehen, wurde traditionelles japanisches Handwerk gezeigt: 江戸切子 (Edo Kiriko; Glas, das durch Schnitte verziert wird), 簪 (Kanzashi; traditioneller Haarschmuck) und mehr, dazu beleuchtete traditionelle Bilder.

Im zweiten Raum, Bild am Anfang des Eintrags, waren die Figuren, die sonst im ねぶた祭 (Nebuta Matsuri; Nebuta-Fest) in 青森 (Aomori) verwendet werden, zu sehen. Das Nebuta Matsuri ist eines der drei großen Feste in 東北 (Tôhoku, dem Nord-Osten des Landes) und für seine beleuchteten Festwagen bekannt. 🙂 Diese Figuren sind das eigentliche Highlight der Ausstellung.

IMG_2410Im dritten Raum sind unzählige 風鈴 (Fûrin; Glaswindspiele) ausgestellt, lustigerweise von den Leuten, bei denen ich im Frühling selbst ein Glaswindspiel hergestellt habe. 🙂 Ich mag das Geräusch von Glaswindspielen total gern, es gehört zum Sommer dazu. 😀

Vom vierten Raum habe ich keine Fotos, weil ich die ausgestellten Objekte nicht nur nicht verstand, sondern auch irgendwie gruselig fand. Es gibt Kunst bei deren Betrachten man sich über den psychischen Zustand des Künstlers Sorgen macht…

IMG_2429Im fünften Raum wurden getrocknete Blätter und 鬼灯* (Hôzuki; Lampionblumen) mit LEDs von hinten beleuchtet. Ein sehr schöner Effekt, das würde ich mir auch in die Wohnung stellen. 🙂 Vor allem nach dem etwas gruseligen vierten Raum war das Balsam für die Seele.

* Laut Kanji heißt die Blume übrigens „Dämonenlaterne“.

Im sechsten und vorletzten Raum wurden verschiedene Lampen aus 美濃紙 (Minogami; einem speziellen japanischen Papier) gezeigt. Die Herstellung von Minogami wurde von der UNESCO als Kulturerbe anerkannt.

IMG_2455Im letzten Raum befanden sich Laternen von zwei Festen in 山口県 (Yamaguchi-ken; Präfektur Yamaguchi): Goldfischlaternen vom 柳井金魚ちょうちん祭り (Yanai Kingyo Chôchin Matsuri; Yanai Goldfischlaternenfest) und runde Laternen vom 山口七夕ちょうちん祭り (Yamaguchi Tanabata Chôchin Matsuri; Yamaguchi Tanabata-Laternenfest). Der blaue Goldfisch ist übrigens ein Samurai Blue, so heißt die japanische Nationalmannschaft. 😉

Letztlich war die Ausstellung zwar, mit Ausnahme dieses eines Raums, schön, aber recht klein und recht teuer. Wer Traditionelles aus Japan sehen möchte, kann natürlich bis zum 9. August noch vorbeischauen, es ist aber absolut kein Muss.