Um diesen Eintrag funktionieren zu lassen, behaupte ich jetzt einfach, dass ich ganz anständiges Japanisch spreche, und ihr müsst es mir abnehmen. 😉 Ich habe zwar den JLPT N1 im Winter 2011 bestanden, aber das heißt nicht viel, weil es letztendlich nur Multiple Choice-Fragen sind. Die Sprachfähigkeit wird nicht getestet.

Mein arg vernachlässigtes Bussiness-Japanisch-Buch.
Natürlich mache ich manchmal Fehler, mein Wortschatz ist nicht halb so groß, wie ich ihn gern hätte, und zu vielen Kanji kenne ich nicht alle benötigten Lesungen, aber im Alltag habe ich keine Probleme. Ich kann sogar Bücher lesen. 😉 Oder, mit den Worten meines Mannes, der natürlich voreingenommen ist:
„Du sprichst so gut Japanisch, fast wie ein Muttersprachler, dir fehlt nur Keigo* und das lernst du nicht, weil du so unglaublich faul bist!“
Hmpf. Wahre Liebe ist eben ehrlich?
* 敬語 (Keigo) ist ein Überbegriff für die Höflichkeitsformen. Von den drei Untergruppen kann ich zwei, 謙譲語 (Kenjôgo) und 尊敬語 (Sonkeigo), außerhalb von Phrasen nicht fehlerfrei verwenden. Ich weiß, ich sollte etwas dran ändern…
Wenn man in Japan ein paar Ausländer kennenlernt, trifft man oft auf das gesamte Spektrum der Japanischfähigkeiten: Von denen, bei denen man sich fragt, ob sie nicht doch in Japan geboren wurden, zu denen, die seit Jahren hier sind, aber keinen geraden Satz herausbringen. Dazwischen gibt es zahllose Abstufungen, letztens half ich im Reisebüro einer Russin, die sich kein Warteticket holen konnte, weil sie keine Kanji lesen kann, sprechen konnte sie aber gut.
Dass ich relativ gutes Japanisch spreche hat mal wieder mehr mit dem Zufall als mit meinen schier unglaublichen mentalen Fähigkeiten zu tun.
Tatsächlich habe ich Japanisch anfangs an der Volkshochschule** gelernt, ganz von vorne, Stufe A1.1, mit „Japanisch im Sauseschritt“, dem Lehrbuch, das sicher einigen bekannt ist. 😉 Damals war ich 14 oder 15 Jahre alt und wenn ich mich recht entsinne, war ich zwei Kurse lang dabei. Dummerweise ging es mir vom Tempo her zu langsam vorwärts.
Nachdem ich bei der VHS aufgehört hatte, lernte ich selbst weiter. Mit 17 oder 18 Jahren ging ich wieder für einen Kurs an die VHS, weil eine Freundin und ihr damaliger Freund dort anfingen Japanisch zu lernen.
** Ich wünschte es gäbe so etwas in Japan. Gibt es so etwas in Japan? Erleuchtet mich!

JLPT Anmeldematerialien
Mit 18 stand fest, dass ich für ein Jahr nach Japan gehen würde, weswegen ich mich für den JLPT 4 (jetzt N5) anmeldete. Den bestand ich auch prompt, mit zwei Punkten über dem Minimum. Die drei bis vier Jahre Japanischlernen hatten sich eindeutig gelohnt. 😉
Innerhalb meines ersten halben Jahres in Japan wurde mein Japanisch zwar langsam besser, aber wirklich eher in Schneckengeschwindigkeit. Dass ich hauptsächlich mit anderen Ausländern rumhing und in einem deutschen Restaurant arbeitete, hatte sicher seinen Anteil daran. Klassische Anfängerfehler.
Dann lernte ich meinen Mann kennen und die Lernkurve stieg rapide an. Plötzlich hatte ich jemanden, mit dem ich ausschließlich auf Japanisch reden konnte und mit dem ich mich unbedingt unterhalten wollte. Letztendlich ist für die meisten Leute der Wille und die Motivation entscheidend, und Sprachen lernt man am besten indem man sie anwendet.
Als ich nach sechs Monaten dieses qualitativ hochwertigen Sprachtrainings wieder zurück nach Deutschland ging, besorgte ich mir einen Twitter-Account, auf dem ich auf Japanisch schrieb, las japanische Blogs so gut es ging und blieb natürlich auf Japanisch mit meinem Mann in Kontakt. So ging es nach dem Aufenthalt nicht etwa abwärts, sondern mein Japanisch verbesserte sich weiter. Nicht mehr so schnell wie anfangs, aber immerhin. 🙂

Für den N1 habe ich mir ein nie ein Zertifikat besorgt…
Noch in Japan kaufte ich mir Lehrbücher für den JLPT N2, die zweitschwerste Stufe, und im Dezember 2009 legte ich die Prüfung in Berlin ab. Wundersamerweise bestand ich wieder. Nur knapp, aber bestanden ist bestanden. 😉 Innerhalb von zwei Jahren hatte ich mich also von „Kann grundlegendes Japanisch bis zu einem bestimmten Grad verstehen“ zu „Versteht alltägliches Japanisch und Japanisch, dass in verschiedenen Situationen verwendet wird bis zu einem bestimmten Grad“ verbessert. JLPT N1 („Versteht Japanisch in einer Vielfalt von Situationen“) war danach kein allzu großer Sprung mehr, auch wenn ich mehr lernen musste weil Dinge abgefragt werden, die man nie nie nie nie niemals nie brauchen wird. Natürlich war es auch beim N1 wieder sehr knapp… 🙂
Mein Tipp an euch alle: Sucht euch einen japanischen Freund oder eine japanische Freundin! Mit der Kraft der Liebe usw. usf. 😉
Aber im Ernst, man sollte versuchen in der Sprache so viel Interaktion wie möglich zu haben. Durch das Internet geht das recht einfach, es gibt Internetseiten zum Sprachaustausch, und vor allem in Japan ist Twitter unglaublich beliebt. 🙂 So lernt man nicht nur, wie normale Japaner*** wirklich reden, wenn man irgendwo schreibt, dass man gern korrigiert wird, machen das manche sogar. Kostenloser Korrekturservice! Wenn man allein lernt und nicht in der Sprache interagiert schleichen sich schnell Fehler ein, man sollte also möglichst nicht im Vakuum lernen.
*** Und auch weniger normale Japaner, aber hey, Twitter!
Es bringt sowieso mehr Dinge zu lernen, die etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben, als die Namen für verschiedene Fledermausnasenformen, oder auch die langweiligen Vokabellisten aus den Lehrbüchern, auswendig zu lernen. Für Koreanisch habe ich jede Woche per Hand einen kleinen Text über mein Leben geschrieben und Worte, die ich brauchte aber nicht kannte, erst einmal auf Japanisch**** hingeschrieben und dann später entweder selbst nachgeschlagen oder meine Lehrerin gefragt. Das ist dasselbe wie beim Lesen, wo man auch nicht jede Vokabel sofort nachschlagen soll, weil es den Fluss unterbricht.
**** Der Unterricht fand auf Japanisch statt.
Auf jeden Fall nie vergessen, warum man angefangen hat zu lernen. 🙂 Lernen ist immer gut und jeder Grund ist ein guter Grund! 😀
Und jetzt kaufe ich mir einen Beutel Selbstdisziplin und lerne. Vielleicht. Später.
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