Die Krux mit den Konzerttickets.

Ich gehe zu eher wenigen Konzerten. Nicht weil ich Konzerte nicht mag, sondern weil es sich einfach nicht ergibt. Bis eine Band, die ich mag, nach Japan kommt und sich dann noch jemand findet, der mit mir hingeht… Mein Mann mag laute Orte nämlich absolut gar nicht und generell ist sein Musikgeschmack anders als meiner.

Letztens sah ich bei Facebook, dass Franz Ferdinand im November für drei Konzerte nach Japan kommen. Eine Freundin erklärte sich dann auch bereit, mit mir zusammen hinzugehen, und ich machte mich daran die Tickets zu kaufen. Also ich wollte eigentlich, denn ich wurde mal wieder vom japanischen Ticket-System geärgert.

Während es Tickets gibt, die wie in Deutschland nach dem System „Wer zuerst kommt mahlt zuerst“ verkauft werden, gibt es auch andere. Nervige. Dort geht ab Verkaufsstart nämlich nicht der Verkauf los, sondern die Verlosung (抽選, Chûsen). Ich muss mich also um das Recht, Tickets zu kaufen, bewerben. Dafür muss ich bereits sämtliche private Daten angeben, um dann einige Zeit später zu erfahren, ob ich überhaupt Tickets kaufen darf. Und nicht etwa, weil die Tickets so günstig wären, nein, 7,000Yen (ca. 55€*) pro Karte.

* Gott ist der Yen schwach…

Als Grund könnte ich mir vorstellen, dass Fans sonst sämtliche Systeme zum Absturz bringen, wenn sie alle zur gleichen Zeit versuchen Tickets zu kaufen. Dass Franz Ferdinand jetzt so groß sind, dass das nötig ist, wage ich zu bezweifeln.

Das System würde mich gar nicht so sehr stören, müsste ich denen nicht vorher Namen, Geburtsdatum, Telefonnummer und Adresse verraten. Wahrscheinlich ist das System sonst zu anfällig für Betrug (ich könnte mich schließlich mit zehn E-Mail-Adressen bewerben), aber das „Gebe nie deine Telefonnummer irgendwo an, sonst rufen dich dreitausend Leute an um dir etwas zu verkaufen“-Mantra ist noch voll da. 😉

Die Tickets habe ich übrigens, wie zu erwarten war, bekommen, jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie ich die Ticket-Maschine im Conbini zur Herausgabe überrede.

Kurztrip nach Tochigi.

Am Sonntag fuhren mein Mann und ich in die Präfektur Tochigi (栃木県), also „auf’s Land“. Das traf sich ganz gut, weil ich am Samstag Abend in Shibuya trinken war und nach den Menschenmassen ein wenig Abwechslung brauchte. Dringend.

Von Tokyo aus ging es mit dem Auto nach Mashiko (益子), um ein bisschen durch den Wald zu laufen und Tempel und Schreine zu besuchen.

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Wir stapften also fröhlich durchs Naturschutzgebiet, erst einmal zwanzig Minuten in die falsche Richtung auf der Suche nach dem Saimyō-Tempel (西明寺). Es war aber auch wirklich arg blöd ausgeschildert.

Umgeben von Bäumen und mit verschiedensten Vogelstimmen, die ich niemals einordnen könnte, war das aber gar nicht so schlimm. Wald ist doch ganz schön, wenn man nicht zwangsweise hingeschliffen wird.

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Der Tempel an sich war ganz schön, wir machten uns dann aber direkt zum nächsten Schrein auf: Tsuna-Schrein (綱神社). Komplett im Grünen, komplett alt, komplett wunderbar. Ich mag Schreine sowieso sehr gerne, und wenn keine anderen Menschen dort sind und man nur das Gezwitscher der Vögel und das Rauschen der Blätter hört, ist das noch besser.

Weil beide, Tempel und Schrein, auf Bergen und Hügeln liegen, muss man erst steile Treppen hinauf. Dummerweise sind die Stufen unglaublich klein, was die Angelegenheit ein wenig beschwerlich macht.

Nach einem kleinen Stopp in Mōka (真岡) um zu Mittag zu essen, fuhren wir noch nach Utsunomiya (宇都宮), um uns die Kannon (観音) dort anzusehen. Kannon ist die Göttin des Mitgefühls im Buddhismus.

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Zuerst ging es zum Ōya-Tempel (大谷寺), der in von der Natur geformten Tuff-Stein (großteils Vulkangestein) gebaut ist.

Für 300Yen kann man in den Tempel gehen, und sich dort die Ōya-Kannon (大谷観音) ansehen. Die ist laut Infotafel im Jahr 810 in die Felswand gemeißelt worden. Leider darf man sie nicht fotografieren, aber ich denke, dass sich die ganze Atmosphäre eh nicht mit der Kamera einfangen lassen würde. Unglaublich beeindruckend, diese 1200 Jahre alte Kannon. Nebenan sind noch Abbildungen Buddhas eingemeißelt, ich weiß aber nicht, wann genau diese entstanden.

Mit demselben Ticket kann man sich noch Funde von Ausgrabungen ansehen, unter anderem auch ein Skelett eines Menschen, der vor 11000 Jahren gelebt hat.

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Gleich nebenan findet sich die Friedens-Kannon (平和観音), die über 25 Meter groß ist.

Nach der Ōya-Kannon war es aber kaum noch großartig beeindruckend, schließlich ist die Friedens-Kannon in den fünfzigern… erbaut? gemeißelt? worden.

In den anliegenden Läden gibt es auch haufenweise Figuren aus Vulkangestein zu kaufen, wir haben uns damit aber nicht aufgehalten.

Inzwischen waren wir schon ziemlich fertig, und es ging zurück nach Tokyo. Zum Glück hat mein Mann kein Problem damit, wenn ich schlafe, während er fährt. Solang ich nicht schnarche. 😉

Man weiß ja nie!

Über die Hälfte der Kinder auf Arbeit hält Mittagschlaf. Einige dieser Kinder haben in der Woche aber einen oder zwei Tage, in denen sie wegen außerschulischen Aktivitäten schon direkt nach dem Unterricht abgeholt werden.

Es sind natürlich in Wirklichkeit außerkindergartenliche Aktivitäten, nur gibt es dieses Wort eigentlich nicht. Besonders gefragt: Ballett-, Klavier- und Schwimmunterricht.

Eines dieser Kinder, Sara, geht einen Tag die Woche zum Ballett. Vorm Schlafengehen dann folgender Dialog mit einem Jungen aus derselben Klasse.

Yuki: Claudia?

Ich: Ja?

Yuki: Wo ist Sara?

Ich: Die habe ich doch heute zum Mittag gegessen. Sehr lecker.

Yuki überlegt und hadert. Schließlich:

Yuki: Stimmt ja gar nicht, Sara ist schon nach Hause gegangen. Du isst doch keine Kinder!

Wer weiß, kleiner Junge, wer weiß…

Aber falls sich jemand beim letzten Eintrag über meine Arbeit gefragt haben sollte, warum ich diesen Job mache: Weil Kinder, wenn sie grad nicht nerven, total lustig sind. Was da teils für Gedankensprünge drin sind und wie ernsthaft über Dinge nachgedacht wird, die für uns Erwachsene total selbstverständlich sind, ist ziemlich faszinierend.

Außerdem bekommt man bei Kindern direktes Feedback, wie gut man seinen Job macht. Da können leichte Änderungen im Umgang mit einem bestimmten Kind einen riesigen Unterschied machen, und plötzlich fangen die Kinder an in ihre japanischen Sätze Englisch einfließen zu lassen. Es ist zwar super anstrengend, aber die Erfolgserlebnisse sind da. 🙂

Japanisch kochen: Zōsui. Japanische Hühnersuppe.

In Deutschland gibt es wenn man krank ist die beinahe schon zum Klischee verkommene, aber scheinbar tatsächlich wirksame, Hühnersuppe. Bei mir zuhause gab es etwas, was mein Mann unglaublich eigenartig findet, ich aber noch immer mag: Kamillentee mit Zwieback und Traubenzucker. 😀 Gesund und leicht zu verdauen.

Als ich letztens plötzlich kränkelte machte mein Mann mir Zōsui (雑炊).

Hühnchen-Zōsui (鶏雑炊) für eine Person

1/2 Hähnchenschenkel
1 Ei
1 Portion Reis
ein wenig Lauch

★1 EL Koch-Sake
★ 1/2 TL Hühnerbrühe
★ 1/2 TL Soja-Sauce
★ ein wenig Salz

① Den Hähnchenschenkel in ca. 1,5cm große Stücke schneiden, Lauch kleinschneiden.

② Wasser in einer Pfanne zum Kochen bringen und das Hähnchen kochen.

③ Den Schaum abschöpfen und alle mit ★ gekennzeichneten Zutaten hinzugeben. Den Reis hinzugeben. Falls das Wasser nicht reichen sollte, mehr hinzugeben.

④ Das Ei aufschlagen und verrühren, dann in die Pfanne geben.

⑤ In die Schale damit, Lauch oben drauf – Fertig!

Schmeckt gut, ist gesund, super. Mir ging’s dann letztens am nächsten Tag auch gleich viel besser. Mein Mann ist schon ein lieber. ♥

(photo credit: [puamelia] Day 060 / 葱とタマゴと大葉の雑炊 via photopin (license))

Von Äpfeln und Stämmen.

Einmal im Jahr haben wir 参観日 (Sankanbi). An dem Tag kommen die Eltern für den halben Tag vorbei und schauen sich den Unterricht an. Wie gut das funktioniert, kann sich glaube ich jeder denken. Zur Erinnerung: Die Kinder in meiner Klasse sind zwei bis drei Jahre alt, etwa die Hälfte kommt nur an drei Tagen die Woche. Bei den meisten dieser Kinder sind die Mütter zuhause und arbeiten wenn, dann nur stundenweise.

Wenn Mama nun also plötzlich bei uns auftaucht, ist alles vorbei. Da verändert sich dann blitzartig der Charakter einiger Kinder und generell herrscht eine dermaßene Unruhe, dass normaler Unterricht gar nicht mehr zu bewerkstelligen ist. Letzten Freitag war es soweit, diesmal war meine Idee, zusammen mit den Eltern zu basteln. Ein Schmetterling sollte es werden, die Kinder malen aus, die Eltern schneiden und kleben.

Bei solchen Aktivitäten merkt man dann sehr schnell, warum einige Kinder so anstrengend sind, wie sie sind.

Beispiel 1: Claudia gibt Farben vor, mit denen der Schmetterling angemalt werden darf. Alles außer Schwarz und Braun ist Ok*. Das Mädchen geht trotzdem mit dem schwarzen Wachsmalstift auf’s Papier los, Papa findet’s total lustig und hilft fleißig mit. Genau dieses Kind hört im Unterricht auch absolut nicht zu und hält sich nicht an Regeln.

* Kleine Kinder produzieren mit dunklen Farben selten schöne Malereien.

Beispiel 2: Nachdem der Schmetterling angemalt ist, soll er ausgeschnitten werden. Wir sagen auf Englisch und Japanisch an, dass die Kinder die Scheren nicht in die Hände bekommen sollen. Als ich durch die Reihen gucke, sehe ich plötzlich, dass ein kleiner Junge eine Schere in der Hand hält. Als ich näherkomme, nimmt Mama die ihm ganz schnell ab, woraufhin der Junge anfängt zu schreien und sich auf den Boden zu werfen. Letztendlich schneide ich den Schmetterling aus, weil Mama zu sehr mit dem Jungen beschäftigt ist. Vorher hatte er das Blatt Papier auch schon zusammengeknüllt und auf den Boden geworfen, wo Mama es erstmal liegen ließ. Genau dieser Junge wirft sich auch bei uns regelmäßig auf den Boden wenn er etwas nicht bekommt (was bei uns natürlich nichts bringt) und macht generell nichts.

Nun habe ich natürlich in meinem Leben inzwischen mehr Kontakt mit japanischen als mit deutschen Eltern gehabt und kann deswegen nicht behaupten, dass deutsche Eltern irgendwie besser wären. Mir fällt nur immer wieder auf, dass die Kinder hier absolut alles machen können ohne mal zurückgepfiffen zu werden. Wenn ein Kind schreiend durch die Bahn rennt darf man nicht darauf zählen, dass die Eltern etwas sagen. Die haben teils eh schon aufgegeben, da wird nicht mal mehr etwas gesagt, wenn das Kind die Eltern haut. Bloß keinen Streit mit den Kindern.

Selbiges gilt dafür, was den Kindern abverlangt wird. Bei uns kommen Kinder auf dem Arm von Mama zu uns und bekommen am Eingang die Schuhe an- und ausgezogen. Wenn ein Kind absolut nicht zu Mittag isst, und wir mal nachfragen, wie das zuhause läuft: „Ja, also zuhause füttern wir sie noch.“ Manchmal haben wir vor allem bei neuen Kindern das Problem, dass die jedwede Mitarbeit komplett verweigern. Lieber auf den Boden schmeißen und weinen, statt benutztes Besteck und Geschirr wieder einzupacken.** Wenn man nur lang genug so tut als würde man weinen***, rettet einen bestimmt irgendjemand. Funktioniert ja auch zuhause.

** Unsere Kinder bringen Brotbüchse, Suppenbecher, Besteck und Schürze von zuhause mit.

*** Keine Tränen, nur Gebrüll.

Wir sind dann die, die diese Kinder für die Schule fit machen sollen. Spaß und Freude.